Wert und Wandel der Korallen

Die Fürstenberger Nadelrunde ist Teil der großen Ausstellung

Wert und Wandel der Korallen
Christine und Margaret Wertheim
im Frieder Burda Museum in Baden-Baden
29,01.--26-06.2022
Christine Wertheim beim Sichten der eingesandten Korallen. © Frieder-Burda-Museum Baden-Baden
Das Kollektivkunstwerk setzt sich aus den eingesandten Korallen aller
Häkelbegeisterten zusammen, die das Projekt unterstützen. Dabei werden
die einzelnen Stücke von den Schwestern Wertheim zu einem
raumgreifenden Korallenriff zusammengefügt.
Die Kunstwelt wurde vor Jahren auf die Wertheims aufmerksam,
als sie als Reaktion auf die Zerstörung des Great Barrier Reefs
vor der Küste Queensland/Australien das Crochet Coral Reef schufen.
In den gehäkelten Korallen verschmelzen die Künstlerinnen Mathematik,
Meeresbiologie, Kunsthandwerk und kollektive Kunstpraxis zu einer
großflächigen und phantastischen Unterwasserlandschaft.
Auch wir möchten mit unserem Korallen Riff auf das Korallensterben in
den Weltmeeren aufmerksam machen. Bei näherer Betrachtung ist zu sehen,
dass wir sogar Plastik mit in unsere Arbeiten eingearbeitet haben.
Die Korallen wie auch die Meerestiere leiden extrem am Kunststoff und
Mikroplastik, das durch den Menschen tonnenweise in die Meere gerät.
Unser Riff wirkt bunt und lebendig, das Great Barrier Reef ist in großen
Teilen inzwischen weiß. Und weiß ist in diesem Fall die Farbe des Todes.


Ist Häkeln Kunst?
Knoten machen kann doch jeder!
Alle haben einen Knoten am Fuß, wenn ein Schnürsenkel dem Schuh
Halt gibt.
Ein anderer simpler Knoten sind die verschränkten Arme, gelegentlich
ein Zeichen des Abstands, der Langeweile oder des Abwartens.
Verschlungene Fäden halten unsere Kleidung zusammen, Hemd, Hose,
Rock, Socken.
Und die Strickwaren entstehen ohnehin auf verschlungenen Pfaden.
Ohne Knoten, Verbindung, Gewebe wären wir ...
Doch diese Häkelware ist ein wenig anders.
Diese verschlungenen Objekte sind Nachbildungen von den Korallen,
die im Meer sind, besonders vor Australien, und die in Ihrer prall-
bunten Verschiedenheit immer weiter verschwinden.
Sie bleichen aus, werden weiß und sterben ab.
Die bunten Schlingwaren entstehen nicht durch »2-rechts-2-links«, das
wäre Stricken, sondern durch das Anwenden einer mathematischen
Formel und zwar einer hyperbolischen.
Während das permante Wachstum und das »Immer-Mehr« in manchen
Bereichen unserer Zeit zu Problemen führt, ist hier die Verdoppelung
jeder Masche, jeder zweiten, jeder dritten oder einer anderen die
Grundlage für den Kräuselfaktor.
Dadurch entsteht beim Häkeln ein ziemlich orginalgetreues Abbild
einer Koralle, mit einem Stiel unten, der den Bodenhalt ergibt, und dem
krausen Oberteil, das im Wasser hin- und herwabert.
Auf diese Weise ist es möglich, weit entfernt vom Großen Riff, am
anderen Ende der Welt, an dieses einmalige Kunstwerk in der Natur zu
erinnern. Und noch mehr: An dessen Bedrohung bis zum Verschwinden.
Häkeln kann also Kunst sein, kann zum Denken anregen, und
hoffentlich zum Handeln. © deko19.de